UNIT: Unausgeglichene Spielsituationen

Unausgeglichene Spielsituationen sind solche, bei denen während eines Spiels auf dem Spielfeld eine ungleiche Zahl von Spielern der beiden Teams aufeinandertreffen, und zwar infolge von unerwarteten Schritten oder falschen Entscheidungen der einzelnen Spieler, aufgrund der Strategie oder Taktik der Trainer oder durch andere Umstände. Beispiele können ein Ausfall, ein unerwartetes Abprallen des Balles, ein Fehler beim Wechseln, der Ausschluss eines Spielers, ein falsches Lesen des Spiels, ein Unterliegen bei einem Zweikampf u. a. sein.

Unausgeglichene Spielsituationen können aus der Sicht des angreifenden Teams eingeteilt werden in Breaksituationen (2-0, 2-1, 3-1, 3-2 u. a.) oder umgekehrt aus der Sicht des verteidigenden Teams in Abwehrsituationen (0-2, 1-2, 1-3, 2-3 u. a.) eingeteilt werden. Des Weiteren kann man sie in Situationen mit einer Überzahl, die beim Ausschluss eines Gegners entstehen (5-4, 5-3, 4-3) oder umgekehrt Situationen mit einer Schwächung des eigenen Teams (4-5, 3-5, 3-4) untergliedern. Darüber hinaus gibt es Sonderfälle von unausgeglichenen Situationen (d. h. 6-5, 6-4, 6-3), die beim Spiel ohne Torwart entstehen (Powerplay).

Aus der Sicht des angreifenden Teams ist man in solchen Situationen stets bemüht, ein Tor zu erzielen. Aus der Sicht des verteidigenden Teams ist man bestrebt, kein Tor zu bekommen oder aber zu versuchen, den Ball unter die eigene Kontrolle zu bekommen und in eine offensive Phase überzugehen.

Ziel des angreifenden Teams in einer unausgeglichenen Situation ist es, die numerische Überlegenheit zu nutzen für

  • ein Kombinationsspiel, das auf einem Wechsel von Pässen oder einem Stellenwechsel der angreifenden Spieler beruht (z. B. durch Kreuzen, Überlassen des Balles, Rückpässe usw.)
  • die Nutzung des Raumes für Einzelaktionen;
  • den Abschluss der Aktion unter geringerem Druck und Widerstand des Gegners.

Ziel des verteidigenden Teams in einer unausgeglichenen Situation ist es,

  • durch die Abwehr und die Raumdeckung die ballbesitzenden Spieler am Vorrücken in die Mitte des Spielfeldes oder den Schusskreis vorzudringen;
  • durch die Abwehr und die Raumdeckung in Kombination mit der Stockarbeit Kreuzpässe zu vereiteln;
  • durch das Positionsspiel den gegnerischen Angriff zu verlangsamen bzw. ihn in den Bereich bei den Banden zu lenken (und so Zeit und Raum für die Einbindung der zurückkehrenden Spieler zu schaffen).

1) Unausgeglichene Angriffssituationen (Breaksituationen) entstehen im Zuge von Kombinationen auf der Basis einer numerischen Überlegenheit über den Gegner (2-0, 2-1, 3-1, 3-2 u. a.), das heißt durch einen schnellen Gegenangriff, bei dem eine Überzahl der angreifenden Spieler über die verteidigenden Spieler entsteht. Die Basis für die Lösung einer so eingetretenen Situation ergibt sich für die angreifenden Spieler aus einer kombinierten Entscheidung (Variabilität) für eine bestimmte Art des Zuspiels, fürs Schießen oder einen Rückzug, je nach der Aktivität der verteidigenden Spieler (Reaktion und Lösung), in dem Bemühen, einen Torschuss zu erzielen.

Aus der Sicht der organisierten Verteidigung vor der blauen Verteidigungslinie unterscheidet man folgende Situationen:

  • Vorrücken des Gegners über die Mitte,
  • Vorrücken des Gegners entlang der Banden,
  • Vorrücken des Gegners durch Freilaufen zur Mittelspur des Spielfeldes,
  • Balleinschuss.

Eine weitere strategisch bedeutsame Situation ist das Spiel nach dem Anspiel in unserer Verteidigungszone. Diese Standardsituation birgt mehrere Varianten in sich:

  • gewonnenes Anspiel,
  • verlorenes Anspiel,
  • neutraler Ball,
  • abgeprallter Ball.

Beim Trainieren muss so mit den Spielern gearbeitet werden, dass sie von einer eingetretenen Situationen nicht überrumpelt sind, sondern sich darauf verstehen, im Kontext der Ballbewegung, der gegnerischen Positionen usw. zu reagieren.

2) Unausgeglichene Abwehrsituationen (0-2, 1-2, 1-3, 2-3 u. a.) sind solche, bei denen die Zahl der verteidigenden Spieler im Laufe des Spiels und der eingetretenen Situationen ungewollt unter jene der angreifenden Spieler sinkt; die verteidigenden Spieler sind bemüht, die angreifenden Spieler an der Ausführung eines finalen Passes, eines Schusses oder eines Rückzuges zu hindern, um kein Tor zu bekommen. In diesen Situationen empfiehlt sich die Beachtung der ungeschriebenen Regel, dass die verteidigenden Spieler gegenüber den angreifenden Spielern solche Positionen einnehmen sollten, dass sie wenn möglich Zuspiele vereiteln und der Torwart sich vorwiegend auf einen eventuellen Schuss konzentrieren kann.

3) Überzahl-Situationen sind solche, die nach dem Ausschluss eines gegnerischen Spielers eintreten (5-4, 5-3, 4-3). Sie stellen einen sehr wichtigen Teil eines jeden Spiels dar und können den Ausgang erheblich beeinflussen. Im heutigen Hockey, bei dem die technische, taktische, physische, aber auch die psychische Reife der führenden Teams nahezu auf gleicher Stufe stehen, stellt gerade die Überzahl eine Möglichkeit dar, um das entscheidende Tor zu erzielen, bzw. um ein Tor zu schießen, das den Verlauf und den Ausgang des Spiels erheblich beeinflussen kann. In solchen Situationen sind die technische, physische und mentale Rüstung der einzelnen Spieler sowie die festgelegte Taktik und die Teamsignale wichtige Faktoren, die jedoch oft erst mit einer tüchtigen Portion Improvisation und Kommunikation der gesamten Formation zur Geltung kommen.

Wichtige Faktoren sind auch die Aufstellung der Spieler (Diamant, Schirm, Raute), die Bewegungen der Spieler ohne Ball, die Abschirmung des Torwarts, die Bereitschaft zur Annahme eines zu erwartenden Passes, die Wahl der Technik und der Art des Abschlusses, das Ausführungstempo, die Einhaltung eines geeigneten Abstandes zwischen den Spielern sowie eine schnelle Reaktion auf die Aktivität der Verteidiger u. a.

4) Das Spiel mit geschwächtem Team (mit Unterzahl) ist vor allem darauf ausgerichtet, den Gegner am Schießen eines Tores zu hindern bzw. im Idealfall den Ball unter die eigene Kontrolle zu bekommen und ihn möglichst lang im Bereich entlang der Bande oder so weit wie möglich vom eigenen Tor entfernt zu halten. Das Unterzahlspiel weist bestimmte Besonderheiten auf. Beim 4-5-Spiel unterscheidet man in der Regel vier grundlegende Aufstellungen. Ein passives und ein aktives Quadrat bzw. eine passive und eine aktive Raute. Doch auch eine Kombination beider Varianten ist möglich. Beim 3-5-Spiel werden in der Regel zwei Dreieck-Aufstellungen angewendet, und zwar ein Spieler unten und zwei Spieler oben oder umgekehrt zwei Spieler oben und ein Spieler unten (je nach der Aufstellung des Gegners), wobei sich die Spieler durch ihre Stellung und ihre Bewegungen vor allem um Raumabdeckung bemühen, um den Gegner am Zuspielen und der Einnahme günstiger Schusspositionen zu hindern.

Beim 3-4-Spiel wird ebenfalls meistens die Dreieck-Aufstellung angewendet. Wichtige Faktoren sind wiederum die technische, physische und mentale Rüstung der einzelnen verteidigenden Spieler und die Kommunikation der gesamten Formation.

5) Powerplay: (6-5, 6-4, 6-3). In diesen Situationen kommt es wieder auf die vereinbarte Taktik bzw. die Signale an, darunter auch die Verteilung der Spieler, die Bewegung der Spieler ohne Ball, die Bereitschaft zur Annahme eines zu erwartenden Passes, die Art des Abschlusses, das Ausführungstempo, die Einhaltung eines bestimmten Abstandes zwischen den Spielern sowie die schnelle Reaktion auf Aktivitäten der Verteidiger an. Großer Nachdruck wird auf das Abschirmen des Torwarts sowie das Attackieren und die Orientierung im Schusskreis gelegt. Solche Situationen kommen in der Regel gegen Spielende oder im Falle von signalisierten Strafen vor.

Um den Raum erfolgreich und effektiv abdecken zu können, um eine Überzahl decken oder freie Spieler eliminieren zu können und sich dadurch auch bei einer Verlagerung des Spiels eine Überlegenheit zu sichern, müssen die Spieler richtige und schnelle Entscheidungen treffen, das Spiel lesen und untereinander kommunizieren können. Die Spieler sollten im Zuge der Entscheidungsfindung Antworten auf folgende Fragen haben:

  • Wie sehr wollen wir den Gegner unter Druck setzen?
  • Auf welche Weise wollen wir den Gegner unter Druck setzen?
  • Wann wollen wir den Gegner unter Druck setzen?
  • Wie viel wollen wir riskieren, wenn wir den Gegner unter Druck setzen?

Die Spieler müssen zu kreativen Entscheidungen angeleitet werden, sie müssen beim Spielen auch die aktuelle Spielsituation berücksichtigen und ob der Spieler zum fraglichen Zeitpunkt und in der entstandenen Situation von den anderen Spielern seines Teams hinreichend unterstützt wird.

Trainingsmethodik für unausgeglichene Spielsituationen

Beim Trainieren von unausgeglichenen Spielsituationen ist es wichtig, sich dessen bewusst zu sein, dass diese taktisch anspruchsvoll sind und vor allem gesteigerte Ansprüche an das Lesen des Spiels mit sich bringen. Unausgeglichene Spielsituationen werden daher in den Klassen U9 nicht trainiert, denn das Ziel dieser Klassen ist die Entwicklung der Angriffsaktivitäten des einzelnen Spielers und das Erlernen der Grundlagen der Mannverteidigung.

Ab den Klassen U12 und U15 ist es angebracht, Elemente des Deckens und der Raumverteidigung mit einer allmählichen Ausweitung des Spektrums der Angriffs- und Abwehrkombinationen einzuplanen.

Bei den Klassen der Männer, der Junioren und des Nachwuchses ist die Einplanung unausgeglichener Spielsituationen ein fester Bestandteil des Trainings, wobei Nachdruck auf Stellenwechsel und einen nach und nach wachsenden Druck seitens der verteidigenden Spieler gelegt wird.

Der Text ist im Rahmen der Abschlussarbeit des Studiums B entstanden, Lizenz von Miloš Jíši/Jíša.

Korrektur, Anpassungen und Ergänzungen des Textes: Martin Komárek.